Konsum – wir alle tun es, täglich, ständig, oft unbewusst. Aber seit wann eigentlich? Und warum wurde Konsum mal als Sünde, mal als Motor des Fortschritts gesehen? Ein Streifzug durch die Geschichte zeigt: Konsum ist so alt wie die Menschheit selbst – und zugleich ein Spiegel unserer Werte, Wünsche und Widersprüche.
Vom Lagerfeuer zur Lebensgemeinschaft
Schon vor Hunderttausenden Jahren konsumierten Menschen – Holz fürs Feuer, Felle für Kleidung, Knochen als Werkzeuge. Konsum bedeutete Überleben, aber auch Gemeinschaft: Familien und Dörfer teilten, tauschten, produzierten und stärkten damit ihr soziales Gefüge.
Interessant: Das Wort „Konsum“ kommt aus dem Lateinischen consumere und hieß ursprünglich schlicht „verbrauchen“. Positiv besetzt war es lange nicht. Wer konsumierte, vernichtete. Kein Wunder also, dass „alte Dinge“, die lange hielten, im Mittelalter hoch geschätzt wurden.
Mittelalter: Konsum als Sünde
Damals war Konsum streng hierarchisch geregelt: Luxus für den Adel, das Nötigste für die breite Bevölkerung. Die Kirche sah übermäßigen Besitz als Habgier – und damit als moralisches Problem. Konsum galt als teuflische Kraft, die die soziale Ordnung bedrohte. Kritik am Übermaß? Nichts Neues – sie reicht bis in die Antike zurück, wo schon Platon vor den Gefahren des Luxus warnte.
Renaissance: Mode, Handel, Luxus
Mit der Renaissance änderte sich alles. Der Handel über die Seidenstraße brachte Gewürze, Porzellan und Seide nach Europa. In Florenz leisteten sich plötzlich auch Bürger:innen Möbel, Kleidung oder Musikinstrumente. Sogar Werbeplakate gab es – in China warb man für den „Hundert-Falten-Rock“. Konsum wurde sichtbar, bunt, begehrenswert.
Kolonialzeit und Aufklärung: Fortschritt durch Konsum
Tee, Kaffee, Zucker – neue Genussmittel prägten den Alltag. Konsum bekam eine neue Rolle: Er stand für Fortschritt, Innovation und Zivilisierung. Adam Smith, Begründer der Nationalökonomie, sah darin sogar eine friedensstiftende Kraft – Konkurrenz und Aggression sollten sich auf den Markt verlagern.
Industrialisierung: Wenn Nachfrage Produktion antreibt
Spannend: Die Industrialisierung entstand nicht, weil Fabriken plötzlich mehr produzierten – sondern weil die Nachfrage explodierte. Der Wunsch nach Gütern brachte die Massenproduktion hervor. Kaufhäuser, Versandkataloge, Werbung und Marken machten Produkte allgegenwärtig. Dinge wurden Teil der Identität. Konsumkritik blieb aber präsent: Karl Marx prangerte Ausbeutung an, Charles Dickens setzte in seiner „Weihnachtsgeschichte“ ein Zeichen für Mitgefühl und Gemeinschaft.
20. Jahrhundert: Die Geburt der Konsumgesellschaft
Mit Warenhäusern, Fließbandproduktion und Fernsehen wurde Konsum demokratisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte das „Wirtschaftswunder“ in Deutschland zu wachsender Kaufkraft. Konsumkredite machten mehr möglich, Konsum wurde Erlebnis, Identität und Ausdruck von Freiheit. Aber auch der Begriff „Konsumterror“ entstand – Kritik am Konsumzwang, an Überfluss und Wegwerfmentalität wird laut.
Heute: Zwischen Überfluss und Nachhaltigkeit
Digitale Märkte, Fast Fashion und globale Lieferketten verändern den Konsum radikal. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach Alternativen: Bio, Fair Trade, Secondhand. Die Gesellschaft ist gespalten: Für die einen bedeutet Konsum Freiheit, für andere Belastung und Überforderung. Und während wir uns an Alltagsgüter wie Strom, Wasser oder Internet längst gewöhnt haben, vergessen wir oft: Vor nicht allzu langer Zeit waren viele davon purer Luxus.
Fazit: Konsum als Spiegel unserer Gesellschaft
Ob Sünde, Luxus, Fortschritt oder Freiheit – Konsum war nie neutral. Er erzählt von Macht, Moral, Innovation und Identität. Und er begleitet uns, solange es Menschen gibt.
Für mich als Kulturwissenschaftlerin und Expertin für Konsumkultur ist die Geschichte des Konsums vor allem eines: ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sie zeigt, dass wir Konsum nicht loswerden können – aber wir können ihn bewusst gestalten. Und genau hier liegt die Chance: Konsum so zu denken, dass er uns nicht nur befriedigt, sondern uns als Gesellschaft weiterbringt.
Diese „kleine Geschichte des Konsums" beruht auf Grundlage von Frank Trentmanns Buch „Herrschaft der Dinge“, das auf über 1.000 Seiten eine umfangreiche Übersicht über die Konsumgeschichte vom 15. Jahrhundert bis heute liefert.