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Raus aus der rasenden Zukunft

Kamil Kalkan auf Unsplash
Kamil Kalkan auf Unsplash

Bio, nachhaltig, öko – damit scheint man aktuell keinen Blumentopf mehr gewinnen zu können. Nachhaltigkeit fühlt sich an wie ein stacheliger grüner Kaktus – in Anbetracht der „wirklich“ wichtigen und dringlichen Herausforderungen wie Krieg, Krisen und Aufrüstung, wie der Rechtsruck in der Gesellschaft, wie Korruption und Spionage…

 

Da muss Nachhaltigkeit leider hinten anstehen. Unternehmen fahren ihre Nachhaltigkeitsambitionen zurück, der Green Deal der EU wird verwässert, zum Teil sogar grundsätzlich in Frage gestellt. Wo bleibt da die Weitsicht, frage ich mich. Dass Nachhaltigkeit und Zukunft eng miteinander verknüpft sind, ist für mich als Zukunftsforscherin selbstverständlich, die eine ist ohne die andere gar nicht zu denken. Und auch Zukunft fühlt sich gerade sehr leer an, ausgelaugt bis hin zu bedrohlich.  

Die Meldungen zur Zukunft heute sehen so aus: 

  • Die Kipppunkte sind erreicht, Schäden sind irreversibel. 
  • Es gibt immer mehr Naturkatastrophen.
  • Die Politik ist naiv-optimistisch oder blockiert
  • Junge Menschen haben Zukunftsangst und tendieren nach rechts.
  • Das Artensterben geht weiter und überhaupt
  • ... sind wir komplett überfordert aufgrund von Dauerkrisen. 

Dieser Schwall an Negativ-Nachrichten lässt uns erstarren in Zukunftsangst, wir fühlen uns gelähmt vor Angst wie das Kaninchen vor der Schlange. Die Künstlerin Yael Bartana, die aktuell den deutschen Pavillon auf der Biennale bespielt, spricht davon, dass wir aktuell lernen müssen die Zukunft zu bewältigen. Also von Vergangenheitsbewältigung zu Zukunftsbewältigung. In einer postapokalyptischen Videoinstallation (mit Namen „Light to Nations“) lässt sie die Menschen in Raumschiffen zu neuen möglichen Lebensräumen fliegen... In solchen News und Vorstellungen wird die Klimakastrophe zur Self Fulfilling Prophecy – eine Prophezeiung, in die wir uns fügen müssen oder willig fügen als sei sie für uns vorherbestimmt. Es bleibt nur die Flucht …  

CHUTTERSNAP auf Unsplash
CHUTTERSNAP auf Unsplash

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Und doch prägen unsere Vorstellungen von Zukunft unser Verhalten in der Gegenwart. Ich verstehe Zukunft als eine Narration: Wie wir uns heute erzählen, wie wir uns die Zukunft vorstellen, so handeln wir auch heute. Zukunft bietet uns einen Raum, eine Fülle an Möglichkeiten. Irgendwie ist uns dieses Denken, dieses Geschichtenerzählen abhanden gekommen. Stattdessen gibt es vor allem die Geschichte der Zukunft, die unaufhaltsam auf uns zurast. Die einen suchen ihr Heil in einer rückwärtsgewandten Nostalgie, in Retrotopia, in der Vergangenheit, in der zwar nicht alles besser, aber vor allem eindeutiger und einfacher war. Die anderen glauben daran, dass uns das Neue, dass uns die Technologie retten wird, KI wird zum Heilsbringer, wir bauen uns selbst eine Tech-Utopie, in der wir uns ganz dem Transhumanismus folgend überflüssig machen. Und die letzten sind von Angst und Verzweiflung geprägt, dass die Menschheit sich ihre eigene Katastrophe, sich ihren eigenen Untergang erschaffen hat. 

 

Das Perfide an diesen Zukunftsvorstellungen, an diesen Narrationen: Sie sind passiv, sie nehmen uns als Menschen den Handlungsspielraum, den Raum etwas zu verändern, etwas künftig anders zu machen, besser zu machen. Zukunft entsteht immer im Zusammenwirken von menschlicher Kultur, Wirtschaft und Technologie. 

 Wie schaffen wir es also, uns aus der auf uns zurasenden Zukunft zu befreien? Wie wird Zukunft nicht zur Katastrophe, wie kann Zukunft gelingen? Hierbei hilft das Backcasting oder die Regnose: Ein Blick aus der Zukunft zurück in die Gegenwart.